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Erstmalige Erwähnung findet „Litun“ im Jahre 1147, eine Grangie (Wirtschaftshof) des Zisterzienserklosters Kaisheim. Ab 1171 ist die Existenz eines klösterlichen Weinguts belegt. Um diese Zeit ist auch eine Kirche nachweisbar, die laut Aufzeichnungen aus dem Jahre 1287 den Kirchenpatronen Nikolaus und Blasius geweiht war. 1451 wird nur noch eine „capella Blasii“ genannt. Am 3. Februar 1488 (Namenstag des Kirchenpatrons) brannte die Kirche vollständig ab, wurde jedoch bald darauf wieder aufgebaut. Trotz heftiger Bestrebungen blieb Leitheim in der Reformationszeit „beim alten Glauben“.

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Kirche, Schloss und Arkadengang wurden zwischen 1681 und 1696 unter der Abt Elias Götz erbaut. Zusammen mit dem nördlich davon liegenden Weingärtnerhaus (um 1542) und einem Torbogen aus Tuffsteinen zur Kirche hin umschließt das Ensemble einen kleinen Hof. Die Anlage diente den Kaisheimer Äbten und Mönchen als Zufluchts- und Erholungort.

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Nach der Säkularisation (Wohnung des letzten Abtes bis 1817) erwarb im Jahre 1820 Friedrich Ludwig Camill Marquis de Montperny die Anlage und angrenzende Obstgärten. In Erbfolge ging die Besitzung an eine Linie der Tucher von Nürnberg über. Der Pfarrei Altisheim wurde die Kirche zur Nutzung überlassen. Im Jahre 1952 kamen das Kirchengebäude durch Schenkung, das Kircheninventar durch Kauf in den Besitz der Pfarrkirchenstiftung Altisheim.

Die Kirche liegt auf einer nach Süden steil abfallenden Anhöhe und ist mit dem Schloss durch einen im Obergeschoss geschlossenen Arkadengang verbunden. Es handelt sich um einen dreijochigen Saalbau mit eingezogenem halbrund geschlossenem Chor und Zugängen von der Nord- und der Westseite her. Fünf Fensterachsen unterteilen die Längsfassaden, drei den Chorraum. Über den Rundbogenfenstern befinden sich Okuli (Ochsenaugen). Die Fassade ist durch Fugen und Bänderung gegliedert und mit Gesimsen versehen. An den Giebeln im Osten und Westen befinden sich je zwei Zierknäufe. Auf dem östlichen Giebel des Langhauses ist ein Dachreiter mit Zwiebelhaube aufgesetzt.

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Der Barockinnenraum mit einem mächtigen Tonnengewölbe ist mit hochbarockem Wessobrunner Stuck (vermutlich mehrere Meister) aufwändig ausgestaltet und befindet sich noch nahezu im Ursprungszustand.

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Die schwarz-goldenen Frühbarockaltäre gelten als frühe Belege der im Zusammenhang mit Kaisheim nachweisbaren Schreiner- und Bildhauerwerkstätten und wurden von dem Konversen Geier und dem Donauwörther Bildhauer Tschiderer geschaffen. Der 1696 datierte Hauptaltar zeigt ein Bildnis der Maria Immaculata. Zu ihren Füßen befinden sich der Heilige Joachim und die Heilige Anna, über ihr schweben Gottvater, die Heiliggeisttaube sowie zahlreiche Engel. Der Kirchenpatron ist im Auszug zu sehen und wird von zwei Engeln umrahmt. Über dem Marienbild hat sich Abt Elias Götz (Bau des Ensembles) mit seinem Wappen verewigt, über dem Tabernakel Abt Cölestin I. Mermos (Aufstockung des Schlosses). Der nördliche Seitenaltar zeigt auf dem Altarblatt im Mittelpunkt die Vision der Umarmung des Ordensgründers Bernhard von Clairvaux durch Christus vom Kreuz herab sowie im Auszug eine Figur des Heiligen Josef mit dem Jesuskind. Auf der Mensa ist eine spätgotische Pieta (zweite Hälfte 15. Jhd. – Maria jedoch mit spätbarocker Bügelkrone) zu sehen. Das Altarblatt des südlichen Seitenaltars zeigt die Speisung des Propheten Elias in der Wüste durch einen Engel. sowie im Auszug eine Figur des Evangelisten Johannes. In einem Rahmen auf einem Volutensockel ist eine veränderte Kopie des Maria-Hilf-Bildes von Lucas Cranach (Innsbrucker Dom) dargestellt. Alle Bilder der Altäre (um 1696) zeigen die Handschrift des Barockmalers Johann Heiß (gebürtig in Memmingen – Werkstätte in Augsburg).

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Die auf der rechten Längsseite befindliche reich ausgestaltete Kanzel aus dem Rokoko (um 1750) wird Frater Schmidt in Kaisheim zugeschrieben (ebenso wie der Tabernakel). Am Korb sind die weltlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe zu sehen, am Schalldeckel die Kardinalstugenden Gerechtigkeit, Stärke, Mäßigung und Klugheit sowie als Kanzelbekrönung eine Statue mit marienähnlichen Zügen, verkörpernd die Weisheit.

 

Besondere Erwähnung verdienen drei große Kreuze. Vor dem Chorbogen hängt ein unterlebensgroßes Kruzifix aus dem Umkreis von Tschiderer (um 1725), an der südlichen Chorwand ein großes Wandkreuz (gleicher Zeitraum) mit einem auf Holz gemalten Korpus (Konturen ausgeschnitten) sowie in der Mitte der nördlichen Langhausseite das „Leitheimer Holzkreuz“ mit einem lebensgroßen Korpus aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert (evtl. Feldkreuz). Dieses ist von 18 Votivtafeln aus dem 18./19. Jahrhundert umgeben. Zwei Skulpturen zieren die nördliche bzw. südliche Wand des Kirchenschiffes: der Heilige Johannes sowie Maria mit dem Kind (beide um 1850). Die einfach gestalteten 15 Kreuzwegstationen (um 1760) sind Stichvorlagen von Gottfried Bernhard Göz nachempfunden.

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Auf der Westseite der Kirche ist eine Orgelempore über einem Kreuzgratgewölbe eingebaut, getragen von zwei Säulen aus Naturstein. Diese ziert ein Rahmenstuck mit großen Akanthusblättern. In der Bekrönung des fünfteiligen Orgelprospekts (Anfang 18. Jahrhundert) ist wiederum das Wappen von Abt Rogerius Röls zu sehen. Seitlich davon sind Brüstungsgitter (zweite Hälfte 17. Jhd.) angebracht, die aus der Zisterzienserabtei Niederschönenfeld stammen. Um 1715 wurde eine Orgel von einem unbekannten Meister (Nikolaus Prescher Nördlingen?) eingebaut, deren Gehäuse heute noch steht. Diese wurde im Jahre 1881 durch ein neues Werk von Georg Friedrich Steinmeyer, dem Gründer der gleichnamigen Orgel- und Harmoniumfabrik in Oettingen, ersetzt.

Kirche St. Blasius Leitheim

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Text: Dr. Peter Hell

Fotos: Sonja Steidle, Andreas Fritsch

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